Geschichte


Vor- und Frühgeschichte

Die Eigenart der geographischen Lage Aserbaidschans zwischen den hohen Bergen des Kaukasus und dem Kaspischen Meer hat in vielerlei Hinsicht die Besonderheiten seiner geschichtlichen Entwicklung bestimmt. Vor alters überschnitten sich hier die Karawanenwege, über die der Handel zwischen dem Orient und dem Abendland stattfand: eine Nahstelle verschiedener Zivilisationen, Nationen und Kulturen.

Foto: Geschichte

Im Laufe der Zeiten entwickelten sich im Lebensraum der Aserbaidschaner viele Kulturen und Gemeinschaften. Zeugnisse der einstigen Größe dieser Länder legen einige Städte des Landes ab. Jede dieser Städte stellt gleichsam ein Kapitel der Geschichte des Landes dar. So haben die Bewohner von Nachtschywan bereits seit dem fünften bis vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung Lehmhäuser gebaut. Unter einem Hügel wurde ein Raum entdeckt, dessen Wände mit einem Ornament geschmückt sind, das mit roter Ockerfarbe auf den kalkgeweißten Putz aufgetragen wurde. Hier sind auch Knochen eines domestizierten Pferdes und anderer Haustiere entdeckt worden. In keiner der Ansiedlungen der Jungsteinzeit, die im Kaukasus, in Vorder- oder Mittelasien gefunden wurden, konnten die Archäologen ähnliche Funde nachweisen wie in Nachtschywan. Oder die Felszeichnungen in dem etwa 60 km südlich der Hauptstadt Baku befindlichen Gobustan, die fast 12 000 Jahre alt sind. Es gibt dort die Darstellungen von Ziegen, wilden Stieren, die sich in Fallen verfangen, Schweinen, Schafen, Hengsten und domestizierten Hunden (sie sind schon als Jagdhilfen eingesetzt!) und dazu Bilder von Tänzen, die bis heute im gesamten Orient lebendig sind (der Jalli oder Jello). Das wichtigste Glied in dieser Beweiskette aserbaidschanischer Präsenz ist die Darstellung von Booten einer ganz bestimmten Bauart, die vom norwegischen Wissenschaftler Thor Heyerdahl erforscht wurde. Der Norweger kam zu überraschenden Ergebnissen, die auf eine Verbindung Skandinaviens mit Aserbaidschan hinweisen. Er glaubte, dass die West-Küste des Kaspischen Meeres die Wiege der Zivilisation ist.

Der erste Staat Aratta auf dem Territorium Aserbaidschans entstand im 28. Jahrhundert vor Christus (v.Ch.) im Gebiet südlich und südöstlich des Urmiasees. Arattas Nachfolgestaaten waren der Lullubiten-Staat (23. Jahrhundert v.Ch.) und der Staat der Gutäer (22. Jahrhundert v.Ch.). Diese antiken Staaten, die politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit Sumer und Akkad unterhielten und Teil der mesopotamischen Zivilisation waren, wurden von Dynastien türkischen Ursprungs regiert. Die turkophonen Völker, die das Gebiet Aserbaidschans seit alters her besiedelten, waren Feueranbeter und Anhänger einer der ältesten Religionen der Welt – des Zoroastrismus. Der Name „Aserbaidschan“ in seiner heutigen Form entstammt einer türkischen Kolokation, die „Land, edle Menschen, bewahrer des Feuers“ bedeutet. In der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts v. Ch. begann sich ein anderer verhältnismäßig stärkerer Staat Manna im Kampf gegen zwei starke Reiche, Assyrien und Urartu, herauszubilden. Zwei Jahrhunderte später geriet dieser Staat unter die Herrschaft des Meder-Reiches und büßte seine Selbständigkeit ein. Im 4. Jahrhundert v. Ch. entstanden zwei aserbaidschanische Staaten - Kaukasisches Albanien im Norden und Atropatene im Süden Aserbaidschans. Die Völker des Königreichs Albanien gehörten unterschiedlichen Nationalitäten an, die meisten von ihnen sprachen Turksprachen. 313 n.Ch. nahm Albanien das Christentum an. Es war ein autokephaler Katholikostaat. Die albanische Kirche war unabhängig von anderen christlichen Kirchen und propagierte das Christentum unter den nordkaukasischen und turksprachigen Völkern. Zum Königreich Albanien gehörte auch das heutige Karabach.

Mittelalter

Vom siebenten bis zum zehnten Jahrhundert unterstand Aserbaidschan den arabischen Kalifen, unter deren Herrschaft das Land vollständig islamisiert wurde (abgesehen von einem kleinen Teil der Albaner in Karabach, die am christlichen Glauben festhielten). Trotz eines gewissen wirtschaftlichen Aufschwungs in jenen Tagen, und obwohl sich zahlreiche Städte zu blühenden Metropolen entwickelten, empfanden die Aserbaidschaner die arabische Herrschaft als Unterjochung. Es ist nicht zufällig, dass sich einer der stärksten Aufstände im arabischen Kalifat in Aserbaidschan unter Leitung von Babäk ereignete, der von 818 bis 838 gegen die ausländischen Ausbeuter kämpfte und sechs Armeen der Kalifen zerschlug. In 838 wurde Babäk in der arabischen Stadt Samira öffentlich hingerichtet. Foto: Geschichte

Babek-Denkmal in Nachtschywan

Mit dem Ende dieser Epoche bildeten sich sofort freie aserbaidschanische Staaten wie Scheddadis, Atabej-Eldegisen, Schirwanschachen heraus, die als Kernstücke der späteren kulturellen und politischen Entwicklung des Landes gelten. Das 12. und 13. Jahrhundert sah das Aufblühen des Fürstentums der Chatschen in der Berg-Karabach-Region, die von albanischen Königen regiert wurde. Die Regierungszeit von Hasan Dschala (1215 bis 1262) brachte eine albanische Renaissance. Unter ihm wurde der Bau der Gandassar-Klosteranlage vollendet. Einen schweren Rückschlag brachte der Mongolensturm im 13. Jahrhundert doch unmittelbar darauf erholte sich Aserbaidschan wieder. Anfang des 14. Jahrhunderts begann im Norden von Aserbaidschan der neue Aufstieg der Schirwanschahen, während sich im Süden Garagojunlus, und später Aghgojunlus entwickelten. 1501 wurde das Safawiden reich mit der Hauptstadt Täbris gegründet, das zum ersten Mal alle Gebiete Aserbaidschans in einem Staat vereinigt hat. Der Gründer dieses Staates ist Aserbaidschaner Schah Ismail I (war an der Macht 1502-1524), der auch als berühmter aserbaidschanischer Dichter unter dem Pseudonym Chatai bekannt ist. Das Safawidenreich erstreckte sich vom Amu-Darja bis zum Euphrat, von Derbent bis zu den Küsten des Persischen Golfes und erreichte insgesamt 2.800.000 Quadratkilometer. Nun setzte sich das Aserbaidschanische als Staatssprache durch, und die Wissenschaften, vor allem die Naturwissenschaften, wurden entwickelt. Foto: GeschichteStaat Safawiden in Jahren 1501-1722

Neuzeit

Ende des 16. Anfang des 17. Jahrhunderts geriet Aserbaidschan unter Kontrolle der Osmanen und nach der Ermordung von Schah Nadir 1747 entstanden über 20 kleine aserbaidschanische Staaten (Chanate) wie Karabach, Schäki, Kuba, Nachtschywan, Derbent, Talysch u.s.w. Berg-Karabach, das von aserbaidschanischen Moslems und albanischen Christen bewohnt wurde, war Teil des aserbaidschanischen Khanats Karabach, das sich zwischen den Flüssen Kür und Aras erstreckte. Auch die örtlichen Herzogtümer – Melikdoms – Disak, Gülüstan, Chatschyn, Tschiläberd und Wärändä waren Teil des Karabach-Chanats. Die Chanate stritten heftig miteinander um die Herrschaft über das ganze Land. Dieser Zustand war sehr behilflich für die Durchsetzung der Eroberungspläne Russlands und Persiens gegenüber Aserbaidschan. Eine ganze Reihe der Chanate griffen zu den Waffen, um ihre Unabhängigkeit zu verteidigen. Am 14. Mai wurde am Ufer des Flusses Kür, an einem Ort genannt Küräktschaj, ein Vertrag mit dem aserbaidschanischen Chan Ibrahim Chälil unterzeichnet, gemäß dem sich das unabhängige Chanat Karabach russicher Oberhoheit unterwarf. Dieser Vertrag hat bis heute Bedeutung, denn er beweist, dass Karabach auch historisch ein Teil Aserbaidschans war. Nach langjährigem Eroberungskrieg zwischen Russland und Persien wurde im Jahre 1828 in Türkmäntschaj, in der Nähe von Täbris, ein Abkommen unterzeichnet, das die folgenschwere Aufteilung Aserbaidschans unter die beiden Siegermächte brachte. Ganz Nordaserbaidschan nördlich des Flusses Aras fiel an Russland, die Gebiete südlich davon fielen an Persien. Zur Festigung seiner Fremdherrschaft in Südkaukasus siedelte Russland hier aus dem Iran und der Osttürkei an die 200.000 Armenier, vor allem in Berg-Karabach (120.000 davon), aber auch in Nachtschywan und Jerewan. Nach einem Erlass von Zar Nikolai I. vom 21. März 1828 wurden die Chanate Nachtschywan und Jerewan aufgelöst und durch eine neue administrative Einheit – das Gebiet Armenien – ersetzt, dass von russischen Beamten verwaltet wurde. 1849 wurde das Gebiet Armenien in die Provinz Jerewan umbenannt. Zudem konnten die Armenier die Russen überzeugen, das Albanische Patriarchat, das in Aserbaidschan weiterhin bestand, aufzulösen und dessen Eigentum der armenischen Kirche zu übergeben. Das Kolonialjoch führte zu Aufständen. Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer gewissen Verzögerung, bedingt durch die Fremdherrschaft, erreichten die Ideen der Aufklärung Aserbaidschan, das Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit brach sich Bahn. Die Arbeiter- und Bauernbewegung bildeten sich rasch heraus, alles geprägt von Nationalstolz und Streben nach Selbstständigkeit. Die Revolution von 1917 und der Zusammenbruch des Zarenreichens boten Aserbaidschan die Chance, auf die es so lange gewartet hatte.

Moderne

Am 28. Mai 1918 wurde unter Führung von Mammed Amin Rasulzade die Demokratische Republik Aserbaidschan (ADR), mit der Hauptstadt Gändschä, ausgerufen. Das politische Leben in der ADR war von der Musavat Partei, die die Wahlen 1917 gewannen, geprägt. Das erste Parlament wurde am 5. Dezember 1918 eröffnet. Mit anderen unabhängigen Kandidaten bildete die Musavat, deren Vorsitzende Rasulzade war, die größte Fraktion. Die Republik wurde insgesamt von fünf Regierungen regiert. Alle Regierungen bestanden aus Koalitionen der Musavat mit anderen Parteien wie den Muslimisch-Sozialistischen Block, die Unabhängigen, Ehrar, die Muslimisch-Sozialdemokratische Partei. Die konservative Ittihad Partei war die große Oppositionspartei, die nie an den Regierungen beteiligt war, außer einem Mitglied, der Generalinspektor in der letzten Regierung war. Der Premierminister der ersten drei Regierungen war Fatali Khan Khoyski, der der letzten zwei Regierungen Nasibbek Usubbekov. Die Bildung der sechsten Regierung wurde Mammed Hasan Hajinski übertragen. Er konnte aber wegen der großen Opposition im Parlament, fehlender Zeit und der Invasion der Bolschewiki keine Regierung bilden. Der Parlamentsvorsitzende Alimardan Topchubashev wurde als Staatsoberhaupt angesehen. Er repräsentierte Aserbaidschan bei der Pariser Friedenskonferenz 1919. Zwischen 1918 und 1920 hatte die Republik diplomatische Beziehungen zu mehreren Staaten. Es wurden Verträge über Beziehungen abgeschlossen.

Foto: Geschichte Dieser Staat, der die erste parlamentarische Demokratie überhaupt im islamischen Orient war, hielt 23 Monate. Im Laufe ihrer kurzfristigen Existenz hatte die Republik sichtbare Errungenschaften erreicht. Zum Beispiel, die neue Gesetzgebung vom Jahre 1918 hatte das universale Wahlrecht für alle gewährleistet. Das arabische Alphabet wurde durch die lateinische Schrift ersetzt, eine wahrhaft revolutionäre Tat, die Aserbaidschan den Zugang zur Wissenschaft und der Technik des Westens ermöglichte. Die erste Universität in Baku - Bakuer Staatliche Universität wurde gegründet. Die Grundbesitzreform wurde abgehalten, die multinationale Regierung mit einem vielparteilichen und multinationalen Parlament wurde gegründet. Im Januar 1920 wurde Aserbaidschan de facto von den Alliierten als unabhängiges Land anerkannt. Aber am 28. April 1920 wurde die Volksrepublik Aserbaidschan durch Sowjetrussland erobert, womit Aserbaidschan abermals seine Freiheit einbüßte. Von 1922 bis 1936 war Aserbaidschan Mitglied der Transkaukasischen Föderativen Sowjetrepublik der UdSSR, dann erfolgte die Eingliederung der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik in die UdSSR. Aserbaidschan erlebte gemischte Erfahrungen als Unionsrepublik. Sein Reichtum stand ausschließlich den Machthabern in Moskau zur Verfügung, die Aserbaidschan und seine Bodenschätze rücksichtslos ausbeuteten. Das Sowjetregime gab sich große Mühe, die Anstrengungen der aserbaidschanischen Intelligenz, die eigene ethnische Identität zu manifestieren und die wahre Geschichte des Landes zu studieren, zu unterdrücken. Während der Sowjetzeit wurden die Gebiete Sängäsur, ein Teil Nachtschywans und andere Kreise aus Aserbaidschan ausgegliedert und dem benachbarten Armenien zugeschlagen. Im Ergebnis wurde das Territorium Aserbaidschans, das in der Zeit der ersten Republik 114 000 Quadratkilometer groß war, bis 1921 auf 86 000 Quadratkilometer verkleinert. 1988 bis 1990 setzte sich die nationale demokratische Bewegung Aserbaidschans kraftvoll für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit ein. Am 23. September 1989 zählte Aserbaidschan zu den ersten Sowjetrepubliken, die ihr eigenes Verfassungsgesetz „Über die Unabhängigkeit“ annahmen. Um diese Bewegung zu unterdrücken, wurden am 20. Januar 1990 mit Zustimmung des damaligen Generalsekretärs des KPdSU Michail Gorbatschow Truppeneinheiten nach Baku entsandt. Ihre Aktionen, die mit ungewöhnlicher Grausamkeit geführt wurden, hinterließen Hunderte tote und verletzte Aserbaidschaner. Trotz dieser Rückschläge mündete der Unabhängigkeitskampf der patriotischen Kräfte in die Annahme der Erklärung „Über die Wiederherstellung der Staatlichen Unabhängigkeit der Republik Aserbaidschan“ am 31. August 1991. Am 18. Oktober 1991 wurde das Gesetz bestätigt, das die staatliche Unabhängigkeit etablierte. Es gründete sich die Republik Aserbaidschan. 1995 wurde die Verfassung der jungen Republik angenommen.

Foto: GeschichteAllee der Schechiden von 20 Yanuar 1990

1988 noch in den Zeiten der ehemaligen UdSSR hat Armenien angefangen, gegen Aserbaidschan Gebietsansprüche zu erheben. Als Folge der ethnischen Säuberung wurden bis 1989 250.000 in Armenien lebende Aserbaidschaner aus dem Land vertrieben. Bis 1993 eroberte Armenien mit der ausländischen Militärhilfe 20% (16.000 km 2 ) des gesamten Staatsgebietes Aserbaidschans. Die bitterste Folge dieser Eroberung war die Vertreibung der 750.000 Aserbaidschaner (50.000 aus der Berg-Karabach Region und 700.000 aus den umliegenden 7 Regionen) aus diesen Gebieten Aserbaidschans. Somit drängten rund eine Million Flüchtlinge aus den eroberten Gebieten in die Städte Aserbaidschans, mit allen negativen Folgen der Arbeitslosigkeit, Problemen der Versorgung, der Hygiene, des Zusammenlebens auf engstem Raum. Seit Ende 1994 herrscht ein Waffenstillstand zwischen beiden Ländern. Die Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien werden im Rahmen der OSZE-Minsker Gruppe fortgesetzt, aber bisher ohne jeglichen Erfolg. Heute ist Aserbaidschan Mitglied vieler internationaler Organisationen wie Europarat, UNO, OSZE, Nato-Programm "Partnerschaft für Frieden", Neue Nachbarschaftspolitik der EU, Euroatlantischer Partnerschaftsrates u.s.w. Aserbaidschan ist heute, trotz dem starken äußeren politischen Druck (wie stetige russische Bedrohung, Ausbrechen des Krieges mit Armenien) ein sich rasch demokratisch und wirtschaftlich entwickelnder Staat mit aussichtsreichen Zukunftsperspektiven, in dem trotz der kommunistischen und totalitären sowjetischen Vergangenheit und eines gegen ihn gerichteten zerstörerischen Okkupationskrieges Armeniens demokratische Institutionen nachhaltig aufgebaut werden und sich eine aktive Bürgergesellschaft allmählich etabliert.

Ihr vasw.de-Team